Training

Hektik ist kein Ersatz für Kompetenz


Von Detlev Schmidt BaTB

„Die Schnellen fressen die Langsamen“, „Zeit ist Geld“, „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ – wer würde diese Sprichwörter nicht auch unterschreiben? Seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie da unterschreiben. „Die Schnellen fressen die Langsamen“, „Zeit ist Geld“, „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ – wer würde diese Sprichwörter nicht auch unterschreiben? Seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie da unterschreiben.

„Wir müssen aufpassen, dass wir aus Geschwindigkeit nicht Hektik machen“, meinte unlängst Bolko von Oetinger von der Boston Consulting Group. Leider ist das in vielen Unternehmen bereits passiert. Das merkt man schon nach den ersten Schritten durch die Büros. Was regiert da? Blanke Hektik. Alles muss möglichst bis gestern erledigt sein, der Termindruck ist mörderisch, man will schließlich Ergebnisse sehen. Bleiben diese aus oder sind unbefriedigend, macht man getreu der Maxime „More of the same!“ noch mehr Druck und Hektik und erhält, wenig verwunderlich, noch weniger befriedigende Ergebnisse. Ein Erfolgsrezept ist das nicht.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Operative Hektik ist an sich nichts Schlechtes. Wenn ein Auftrag beispielsweise bis High Noon raus muss, dann ist Tempo angesagt. Das entscheidende Wort dabei ist jedoch das Adjektiv: Solange sich die Hektik auf Operatives erstreckt, ist nichts gegen eine Tempoverschärfung einzuwenden. Fahrlässigerweise ist Hektik jedoch in den meisten Unternehmen inzwischen aus dem operativen in den strategischen Bereich übergeschwappt. Paradebeispiel dafür ist die strategische Schlüsselkomponente Humankapital. Da wird in vielen Unternehmen unter großem Aufwand ein Assessment Center (AC) für die Bewerberauswahl veranstaltet – danach stehen die AC-Sieger im Regen. Keine individuelle Einarbeitung, keine firmenspezifische Qualifizierung, denn die Neuen sollen sich ja vom ersten Tag bezahlt machen, ohne Zeit für unnötige Qualifizierungsmaßnahmen zu vergeuden. Das gilt dann auch später. Regelmäßige Fort- und Weiterbildung? „Keine Zeit, die Termine drücken!“ Die bitteren Konsequenzen sind eine hohe Fluktuation, eine geringe Motivation, eine geringe Identifikation der Mitarbeiter und Manager mit dem Unternehmen, oft schwerwiegende Kompetenz- und Qualitätsmängel und hohe Produktivitätsreserven. Warum? Weil über der ganzen operativen Hektik die strategischen Schwerpunkte aus den Augen verloren wurden.

Die mangelnde strategische Schwerpunktsetzung wird meist erst bemerkt, wenn der Insolvenzverwalter droht. Dann wird plötzlich eine Qualifizierungsoffensive gestartet – die fast immer zu spät kommt, wie uns die Insolvenzstatistiken der Banken verraten. Denn wenn ich im November feststelle, dass ich keine Kartoffeln für den Winter gebunkert habe, nützt mir selbst die sofortige Aussaat auch nichts mehr. Qualifizierung braucht wie Kartoffeln Zeit zum Reifen. Gerade deshalb ist sie ein strategischer und kein operativer Schwerpunkt! Einer, der von Unternehmen mit Spitzenkompetenz ausnahmslos gesehen wird.

Warum wohl haben so viele Spitzenunternehmen in den letzten Jahren Corporate Universities gegründet, Coaching-Pools aufgemacht, Management Development Programme gestartet, ihre Führungskräfte zu Coaches oder Trainern ausbilden lassen oder Personalentwicklungsprogramme aufgelegt? In einem dieser Unternehmen sagte uns ausgerechnet der Finanzvorstand: „Jeder unserer Manager und Mitarbeiter ist zu lebenslangem Lernen verpflichtet. Wenn wir in unserem Bildungsniveau stehen bleiben, wie wollen wir dann mit der Welt Schritt halten, die uns davoneilt?“

Zugegeben, diese Spitzenkompetenz findet man nur bei fortschrittlichen und modern geführten Unternehmen. In vielen anderen Firmen sieht der Manager oder Mitarbeiter nie wieder eine Seminarbank, sobald er eingestellt ist. Überraschender- und erfreulicherweise wird dieser unternehmerische Mangel in der Zwischenzeit immer stärker individuell ausgebügelt. Wenn die Spitzenkompetenz nicht vom Unternehmen gepflegt wird, dann pflegt sie eben der einzelne Mitarbeiter oder Manager. Auch deshalb sehen wir immer mehr Führungskräfte in den BaTB-Trainerausbildungen. Oder wie ein Teilnehmer jüngst meinte: „Wenn es die lebenslange Anstellung in einem Unternehmen nicht mehr gibt und statistisch gesehen jeder Mensch vier bis fünf Jobs in seinem Leben annehmen muss – dann muss ich schleunigst etwas für meine Employability tun!“

Spitzenkompetenz ist kein unternehmerischer Erbhof. Wenn Ihr Unternehmen es strategisch verschläft, Sie damit auszustatten, übernehmen Sie eben selbst die Verantwortung!