Management

Frauen zwischen Beruf und Familie


Wie viele Männer gehen in ein Frauenseminar?

Sigrid Sonnenholzer

 

„Frauen im Spannungsfeld zwischen Beruf und Familie“. Mit diesem Titel haben wir schon eine ganze Reihe von Seminaren abgehalten. Und vor jedem haben wir uns gefragt: Sitzt diesmal (endlich) auch ein Mann im Seminarsaal?
Das Erste, was wir von Männern auf diese Frage hören, ist die verdutzte Gegenfrage: „Warum sollte ein Mann auf ein Seminar zum Thema ‚Frauen im Spannungsfeld zwischen Beruf und Familie‘ gehen?“ Na, weil sich endlich auch ein Mann Gedanken darüber machen könnte, in welchem stressigen, auszehrenden und kraftraubenden Spannungsfeld sich berufstätige Frauen tagein, tagaus aufreiben.

Die verbreitete männliche Ahnungslosigkeit ist symptomatisch für eine Berufskultur, die trotz aller vorgeblicher Emanzipationserfolge größtenteils noch so archaisch ist wie im 18. Jahrhundert: Frauen haben sich um Partner, Küche und Kinder zu kümmern.

Wenn sie „nebenher“ noch einem Beruf nachgehen wollen, ist das allein ihre Sache. So sagt mann das zwar heute nicht mehr. Man sagt es anders: „Es ist gar nicht so einfach, mit Frauen zusammen zu arbeiten“, berichten uns Manager immer wieder. „Sie brauchen oft freie Tage, wenn ein Kind krank ist, oder müssen pünktlich Feierabend machen, um die Kinder vom Kindergarten abzuholen.“ Da spiegelt sich die alte Rollenverteilung wider: Der Mann macht Karriere, während die Frau sich um die Kinder kümmert. Dass die Kinder irgendwann auf Kollisionskurs mit dem Beruf geraten, ist zwangsläufig und ausschließlich Sache der Frau.

Ist das nicht ärgerlich? Mag sein, doch genau das brauchen wir beim jetzigen Stand der Debatte nicht: die fünfundachtzigste Neuauflage des Geschlechterkampfes. Denn wie weit dieser uns gebracht hat, sehen wir heute. Was wir brauchen, sind keine Kampfparolen sondern Lösungskonzepte, wie Frauen (und Männer) besser mit der immer noch vorherrschenden Ungleichbehandlung im Berufsleben umgehen können.

Das ist überhaupt ein lange übersehener Aspekt, unter dessen Abwesenheit die Debatte leidet: Es wird immer nur in abstrakten Kategorien wie Gleichbehandlung, Chancengleichheit oder Rollenverständnis diskutiert. Dass die Lage mit solchen abstrakten Begriffen nicht verbessert werden kann, müsste uns inzwischen klar geworden sein. Wer ein konkretes Problem hat, sollte es auch mit konkreten Maßnahmen lösen.

Nach unserer Erfahrung eignen sich dazu ganz pragmatische, praxiserprobte Lösungen:

Anstatt Frauen ständig vorzuwerfen, dass sie Mitarbeiter zweiter Klasse seien, deren überzogene Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse ihrer Kinder den betrieblichen Ablauf stören, sollten Manager das Thema offen diskutieren. Wenn vernünftige Menschen vernünftig miteinander reden, kommt nämlich meist mehr dabei heraus, als wenn Manager Frauen einfach als „schwierig“ für die Beschäftigung bezeichnen und damit das Thema begraben.

Frauen können selbst sehr viel zu ihrer eigenen Entlastung beitragen, indem sie ihr Zeitmanagement und ihre Selbstorganisation sozusagen auf Vorderfrau bringen.


Die Arbeitsorganisation kann ohne weiteres so angepasst werden, dass es keinen Zusammenbruch der Wertschöpfungskette darstellt, wenn eine Frau um 15.45 Uhr den Arbeitsplatz Richtung Kindergarten verlässt. So flexibel ist selbst der arthritischste Betrieb. Man muss nur wollen. Dasselbe gilt für Vertretungsregelungen. Frauen sind öfters der kranken Kinder wegen zuhause? Na und? Männer sind ständig auf Geschäftsreise und öfters krank als Frauen. Da macht man um die Vertretungsregelung auch kein solches Tamtam.


Wenn die Führungskräfte in den Firmen darüber hinaus auch nur ein wenig mehr Verständnis für die besondere Lage ihrer Arbeitnehmerinnen aufbringen könnten, anstatt sich verständnislos über die Schwierigkeiten der Beschäftigung von Frauen zu verbreiten, würden sie der Welt damit einen großen Dienst erweisen.

Das Motto lautet: Lösungsansätze statt Tabus. Wenn die Beteiligten nämlich mal damit beginnen, über Lösungen zu reden, anstatt das Thema totzuschweigen, geht es auch in der Sache voran. Insbesondere mit folgenden kleinen Veränderungen haben wir gute Erfahrungen gemacht:

Unser Ratgeber „Private Business Power“ (von Dieter A. Sonnenholzer und Sigrid Sonnenholzer) gibt wertvolle Tipps, wie Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen sind. Das Buch war eigentlich für gestresste Manager gedacht und geschrieben. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Frauen ebenso intensiv davon profitieren. Durch geschicktes Vorgehen lässt sich nämlich die Spannung in jedem Spannungsfeld reduzieren.

Die Zufriedenheit und Produktivität weiblicher Arbeitskräfte ist in Betrieben, die Seminare und Arbeitsgruppen zum Thema „Frauen im Spannungsfeld“ anbieten, deutlich größer als in Firmen, die von sich behaupten, „das ist bei uns kein Thema!“

Frauen brauchen keine guten Ratschläge, sondern praktische Tipps und Tools zu Zeitmanagement, Balancing, Ressourcen-Aktivierung und Selbstorganisation, um aus dem Spannungsfeld herauszukommen.

Generell sollte jeder Mann mindestens einmal im Leben auf ein „Frauenseminar“ entsandt werden. Schöner wär’s, wenn er das freiwillig täte. Dann wären vielleicht auch Männer bald bereit, die gemeinsame Verantwortung für das Spannungsfeld zu sehen. Natürlich hat sich die Situation durch die Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht verbessert. Im Gegenteil. In vielen Unternehmen lautet das Motto: „In harten Zeiten trifft es eben die Schwächsten zuerst.“ Ist es vielleicht das, was die moderne Gesellschaft unter „sozial“ versteht? Ob unsere Gesellschaft demnächst den Sozialstaat endgültig über Bord wirft, entscheidet sich nicht am Arbeitslosengeld oder am Sozialhilfesatz. Sondern daran, wie die weibliche Hälfte der Bevölkerung am Arbeitsplatz behandelt wird.