Der Mann für Bremen
Interview mit dem Fraktionsvorsitzenden der CDU in der Bremer Bürgerschaft:
Thomas Röwekamp Bürgermeister und Senator a. D.
Herr Röwekamp, aus Sicht der Spitzenkompetenz gibt es ein dynamisches Dreieck zwischen Innen- Wirtschafts- und Finanzpolitik. Wie beurteilen Sie dieses Dreieck für die Region Bremen/ Bremerhaven?
Thomas Röwekamp: Dieses Dreieck ist hinsichtlich der Wirtschafts- und Finanzpolitik unwahrscheinlich spannend, weil es eines der großen Probleme unseres Zweistädtestaates aufzeigt: Wir sind wirtschaftlich gesehen ein dynamischer Standort, haben nach Hamburg und Hessen gemeinsam das zweithöchste Bruttoinlandsprodukt je Einwohner. Wir sind eine wirtschaftlich leistungsfähige Region, sozusagen der „Jobmotor“ in dieser Region. Zusammen mit Hamburg haben wir die höchste Arbeitsplatzdichte, das heißt Bremen hat sehr viele Arbeitsplätze je Einwohner und dennoch gibt es strukturelle finanzielle Probleme. Wir hoffen sehr darauf, dass es uns in den Verhandlungen in der Föderalismusreformkommission gelingen wird, auch andere Bundesländer davon zu überzeugen, wirtschaftlich reizvolle Standorte wie Bremen und Bremerhaven leistungsfähig zu halten und eben nicht durch Mechanismen im Länderfinanzausgleich zu benachteiligen. Wenn in Bremen neben der wirtschaftlichen Dynamik auch eine finanzielle Solidität herrschen würde, hätten wir in bestimmten Bereichen der Innenpolitik, wie beispielsweise der Integrationspolitik, aber auch bei der Frage von sozial schwierigen Lebenslagen in unseren beiden Städten, eine bessere Ausgangslage.
Worin liegt die von Ihnen angesprochene strukturelle Schwächung dieser Region begründet?
Thomas Röwekamp: Die Ursache liegt darin, dass es in Bremen über Jahrzehnte keine kontinuierliche, wirtschaftliche Entwicklung gegeben hat. Wir sind von einer Strukturkrise in die nächste getaumelt. Das Land Bremen ist ein alter, industriell geprägter Standort mit Werften, Fischerei, sowie Stahlproduktion und Industrie gewesen. Die Regierung hat es in den 70er und 80er Jahren versäumt, den Strukturwandel aktiv zu gestalten. Es wurden zwar Subventionen gezahlt, aber versäumt, Neues zu generieren. Dies ist erst Mitte der 90er Jahre entstanden. Daher ist der Umbruch in Bremen und Bremerhaven sehr groß. Auf der einen Seite gibt es viele Menschen, die seit längerer Zeit arbeitslos sind, weil sie Mitte der 80er Jahre ihren Arbeitsplatz zum Beispiel auf der Werft verloren haben. Auf der anderen Seite entstehen Arbeitsplätze in der Hochtechnologiebranche wie der Windenergie oder im Bereich Forschung und Entwicklung, die weitgehend nicht mit Langzeitarbeitslosen besetzt werden können. Dies führt zu sozialen Unwuchten, die wir im Land sehr deutlich spüren.
Kinder und Jugendliche bilden die Zukunft Deutschlands. Welche Schwerpunkte setzt die CDU in punkto Bildungspolitik?
Thomas Röwekamp: Die Bildungspolitik ist für die CDU ein Kernthema und hat das Land Bremen in jüngster Zeit stark bewegt. Auf einem von der Bremer CDU angestoßenen Bildungsgipfel haben sich SPD, CDU, Grüne und FDP auf eine neue Schulstruktur geeinigt, weil unser jetziges Schulsystem weder „Fisch noch Fleisch“ ist, ein nicht leistungsfähiger Bildungsmix. In weiten Teilen von SPD und Grünen herrscht immer noch der alte Kampfgedanke vor, dass man Kinder möglichst lange gemeinsam unterrichten muss, also praktisch die Gesamtschule als Einheitsschule. Die „Schule für alle“ steht deshalb im Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung. Die CDU setzt dagegen auf die Strategie, dass unterschiedlich begabte Kinder individuelle Förderung benötigen. Es gibt einen bestimmten Anteil von Kindern, bei denen man schon früh die Neigung zur wissenschaftlichen Bildung erkennen kann. Sie würden darunter leiden, wenn man sie zehn Jahre lang mit weniger begabten Kindern unterrichtet. Wir als Christdemokraten sagen: Es muss beides geben, einerseits durchgängige Gymnasien von Klasse 5 bis zum Abitur in Klasse 12. Und auf der anderen Seite eine fördernde Struktur, die allen anderen die Möglichkeit zum Bildungsabschluss, inklusive Abitur, offen hält. Unser Kampf für ein gegliedertes Schulsystem, das die Kinder nicht gleich macht, sondern gerecht behandelt, hat sich gelohnt. Statt der Einheitsschule bekommen wir in Bremen ein zweigliedriges System: Nach der Grundschule wird es in Bremen nur noch Gymnasien und Oberschulen geben. An beiden Schulformen ist das Abitur möglich. Nicht jeder Schulabgänger findet anschließend einen Ausbildungsplatz.
Wo grenzt sich die CDU Bremen bei der Schaffung von Ausbildungsplätzen von den anderen Parteien ab?
Thomas Röwekamp: Die Schaffung von Ausbildungsplätzen kann man grundsätzlich nicht staatlich erzwingen; sie beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Die CDU setzt sehr auf Verabredungen mit der örtlichen Wirtschaft. Wir haben einen Ausbildungspakt geschlossen, der von Erfolg gekrönt war. Wir halten nichts von einer Ausbildungsplatzabgabe als Strafe, sondern setzen auf freiwillige Bereitschaft. Der wichtigste Zugang zu einer Ausbildung ist allerdings die Bildung. Unsere Schulabgänger konkurrieren am Ausbildungsmarkt mit denen aus anderen Bundesländern. Deshalb ist eine solide Bildung, die dazu befähigt, der vorherrschenden Konkurrenzsituation stand zu halten, von größtem Wert. Die Bremer DGB- Vorsitzende hat vorgeschlagen, auch unqualifizierte Absolventen einzustellen. Solche Theorien sind Quatsch. Kleine und mittelständische Betriebe können nicht aufholen, was in der Schulzeit versäumt wurde.
Welche schwierigen innenpolitischen Themen möchten Sie aus Sicht der Oppositionsrolle anpacken?
Thomas Röwekamp: In der Innenpolitik haben wir ein großes Problem mit Jugendlichen, die einen Migrationshintergrund haben. Damit meine ich ganz bewusst nicht nur Jugendliche anderer Nationalitäten, sondern auch solche mit deutschem Pass, die aus anderen Kulturkreisen stammen. Unter jugendlichen Intensivtätern im Land Bremen kommen mehr als zwei Drittel mit zehn und mehr Straftaten pro Jahr aus diesem Kreis. Dort herrscht eine völlig falsche Wertewelt und ein gewisses Maß an Perspektivlosigkeit vor. Deswegen ist die größte innenpolitische Herausforderung in nächster Zeit, die Integration dieser Menschen, die auch von sich aus Bereitschaft erklären müssen, sich der Lebensweise in diesem Land anzupassen. Mit der Integration muss schon in der Schule begonnen werden. Der Staat muss frühzeitig Verantwortung übernehmen, indem er Anleitung und Hilfe zur Erziehung nicht nur als Beratung versteht sondern auch als Verpflichtung der Eltern. Wir brauchen ein Frühwarnsystem wenn Kinder unter 14 Jahren auffällig werden. Eine engere Vernetzung von Jugend- und Innenpolitik ist dabei unumgänglich.
Wie steht die CDU zur Mittelstandsvernichtung in der Region Bremen/ Bremerhaven?
Thomas Röwekamp: Ich glaube, dass das Gegenteil Ihrer Behauptung der Fall ist. Wir haben eine mittelstandsgeprägte Wirtschaft, natürlich auch mit Großbetrieben wie Mercedes, aber es gibt auch viele mittelständische Betriebe im Bereich der Logistik, Handwerk und neuen Branchen wie der Windenergie, die sich ganz bewusst hier niedergelassen haben, weil unsere Region sehr attraktiv ist. Mittelstandspolitik ist für mich nicht in erster Linie Förderpolitik. Es geht nicht um das große Geld, sondern eher um unbürokratische und schnelle Wege. Wir haben noch unter meiner Regierungsbeteiligung als eines der ersten Länder ein Mittelstandsförderungsgesetz verabschiedet, das kleinen und mittleren Betrieben insbesondere Bürokratie erspart. Damit haben wir einen wichtigen Beitrag zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen geleistet. Wir haben darüber hinaus gute Beratungsangebote und Förderkulissen wie beispielsweise eine Existenzgründerinnenberatung ins Leben gerufen sowie gezielte Beratungsangebote für Hochschulabsolventen, die sich mit Ihren Kenntnissen und Anwendungen selbständig machen wollen. Bremen und Bremerhaven sind für mich mittelstandsfreundliche Standorte.
Welche Bedeutung sehen Sie im Bereich Bildung, Weiterbildung und Qualifizierung des Mittelstandes?
Thomas Röwekamp: Hier spielt die Qualifikation der Arbeitskräfte eine entscheidende Rolle. Viele mittelständische Betriebe suchen händeringend nach geeigneten Mitarbeitern, leider reichen die Bildungsabschlüsse für diesen Arbeitsmarkt aber häufig nicht aus. Dies ist Aufgabe von Beschäftigungspolitik. Bremen wird andere Wege gehen müssen, um die richtige Ausbildung für entstehende Arbeitsplätze zu gewährleisten. Im Bereich der inhabergeführten Unternehmen stehen wir vor einem Umbruch. Der Übergang von der einen auf die andere Generation muss vollzogen werden. Hier liegt eine große Verantwortung in der Beratung. Der Staat kann an dieser Stelle noch mehr Hilfe leisten.
Was ist Ihr persönliches politisches Ziel?
Thomas Röwekamp: Ich möchte die CDU so aufstellen, dass wir den Bürgern eine Alternative bieten können. Die Koalition aus SPD und Grünen stellt die schlechteste Regierung dar, die Bremen je hatte. Sie hat sich in den vergangenen sechs Monaten nur mit sich selbst beschäftigt und erweckt den Eindruck, Mängel zu verwalten, statt zugunsten des Landes zu handeln. In der Sozialpolitik beispielsweise geht es Rot-Grün darum, mehr Geld für die Alimentation von Sozialhilfe zur Verfügung zu stellen, als Anreize für eine zukunftsweisende Beschäftigungspolitik zu schaffen. Das ist ein fataler Weg. Die Union hat dagegen die Chance zu beweisen: Wir können es besser. In zwölf Jahren der Regierungsbeteiligung haben wir gezeigt, dass unsere Konzepte stimmig sind.
Welche Werte sind Ihnen ganz persönlich wichtig?
Thomas Röwekamp: Mir ist es persönlich sehr wichtig, dass die Politik niemanden ausgrenzt. Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft unserer Kinder, weil ich feststelle, dass wir mit der Kinderarmut in unseren beiden Städten nicht nur kurzfristig erhebliche soziale Schwierigkeiten haben. Es ist für mich eine große Pflicht und Aufgabe dafür zu sorgen, dass sie aus dem Kreislauf von Sozial- und Bildungsarmut, aber auch monetärer Vernachlässigung herauskommen. Ich bin davon überzeugt, dass in jedem Talente stecken, die es zu fördern gilt, um sie an unserem Weg teilhaben zu lassen.