Interview

 

Resilienz in der Schule

 

 

 

Sigrid Schoeneich BaTB












Mit dem Begriff „Resilienz“ können nur die wenigsten Leute etwas auf Anhieb anfangen, oder?

Ja, das stimmt. Das Thema „Resilienz“ ist ja auch erst in den letzten Jahren so richtig aufgekommen. Das lateinische Wort „resilire“ bedeutet so viel wie „zurückspringen“.  Im Englischen wird “resilience“ als Eigenschaft beschrieben, dass jemand nach einem schlimmen Ereignis wieder schnell in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrt. Dies ist ganz wichtig, um mit den Widrigkeiten des Lebens umgehen zu können. Wenn jemand innerlich oder geistig starr wird, kann er in schwierigen Situationen leicht zerbrechen.

 

Welche Bedeutung hat diese Erkenntnis nun für den Schulalltag?

In jeder Schullaufbahn gibt es Höhen und Tiefen. In Untersuchungen zeigte sich, dass Kinder unterschiedlich auf negative Erlebnisse reagieren.  Die Konfrontation mit Misserfolgen oder drastischen Veränderungen in der Familie, wie Scheidung der Eltern, können Schüler leichter bewältigen, wenn sie wissen, wie sie mit diesen Herausforderungen umgehen können.

 

Gibt es denn Möglichkeiten, Resilienz zu „trainieren“? 

Ja, die gibt es. Hilfreich ist eine starke Ausprägung der Sozialkompetenz, d.h. der Fähigkeit, vertrauensvolle, enge Beziehungen zu einem anderen Menschen aufbauen zu können. Dazu kommt dann noch die Fähigkeit, sich selbst positiv und realistisch annehmen zu können und auch die eigenen Handlungsspielräume im Leben wahrnehmen zu können.

 

Wo sehen Sie nun die Aufgabenbereiche der Schule?

Wenn wir überlegen, wie viel Zeit die Buben und Mädchen mittlerweile in der Schule zubringen, sollten dort auch Spielräume und Handlungsfelder für soziales Lernen vorgesehen werden. Ich denke, dass Schülern wertschätzende Umgangsformen durch geeignete Unterrichtsmodelle vermittelt werden sollten.  Schüler sollten auch unterstützt werden, den Zugang zu und den Umgang mit den eigenen  Gefühlen und damit auch denen anderer Menschen zu aktivieren.  Dies scheint mir wichtig, da sich Jugendliche zunehmend in einer virtuellen Welt bewegen, die eine positive Gefühlsentwicklung einschränken kann. Wenn Jugendliche erfahren, dass sie sich angstfrei in reale soziale Gruppen einbringen und dort interagieren können, lernen sie die ganze Bandbreite von Erfahrungen, wie Spaß und Spannung, aber auch Versagen und Misserfolg, sowie Zuwendung und Liebe, am eigenen Leib kennen. Das lässt sie zu starken Persönlichkeiten heranreifen.

 

Warum sollte „Resilienz“ besonders auch an weiterführenden Schulen aufgegriffen werden?

Viele Jugendliche in der Pubertät fragen nach dem Sinn in ihrem Leben. Man hat festgestellt, dass resiliente Menschen ihrem Leben, auch nach schweren Schicksalsschlägen, einen Sinn zu geben vermögen. Das bedeutet, dass die Thematik in diesem sensiblen Lebensabschnitt genügend Raum durch fundierte Angebote und gemeinsame Diskussionen bekommen sollte. Coachingansätze wie die Meisterwerker nach Prof. Michaela Brohm oder die Logotherapie nach Viktor Frankl könnten Beispiele für Gesprächsthemen sein.

 

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Funktion des Lehrers?

Ich glaube inzwischen, dass Lehrern in ihrer Vorbildfunktion eine viel größere Rolle zukommt als man allgemein annimmt. In einer Studie konnte Albert Bandura nachweisen, dass besonders junge Kinder spontan das Verhalten ihres Modells imitierten. Wenn ein Lehrer also ein lebensbejahendes, wertschätzendes Verhalten seinen Schülern vorlebt, werden diese automatisch positiv beeinflusst.

Finnland steht in der PISA-Studie, was schulische Leistungen anbetrifft, ganz oben. Wie ich bei meinem Aufenthalt in Finnland von unserer Reiseleiterin erfahren habe, unterrichten die Lehrer dort nach einem hundert Jahre alten Konzept, also nicht mit modernen Unterrichtsmethoden. Ihren Erfolg erklären die Finnen so: „Unsere Lehrer sind hochmotiviert und sie werden von uns sehr geschätzt.“ Ich denke, mit diesem gesellschaftlichen Rückhalt und Vertrauen können die Lehrer ihrer Vermittlerrolle exzellent gerecht werden, was letztlich den ihnen anvertrauten Kindern zugute kommt.

 

Es wäre also wichtig, Lehrer zu unterstützen und in dieser Hinsicht zu fördern?

Ja, viele Lehrer sind ausgebrannt und ein Projekt zur Förderung von Resilienz bei Lehrern wäre eine zeitgemäße Maßnahme.  Das wäre nicht nur sehr hilfreich für die Lehrkräfte, sondern hätte direkte positive Auswirkungen auf die Entwicklung der Jugendlichen.